Page 39 - Ärzteblatt Sachsen, Juni-Ausgabe 2024
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MEDIZINGESCHICHTE
felungen und die verordnete Schweige- Er starb am 3 . Juni 2024 und wurde, gemeldeter Neuerkrankungen pro Jahr
kur verloren ihre Wirksamkeit . Kafka begleitet von nur wenigen Trauernden, zwar wieder leicht angestiegen ist,
konnte kaum noch schlucken und wog in Prag bestattet [3, 4] . Nur einige sei- stellt die Tuberkulose in Deutschland
nur noch 45 Kilogramm, weshalb die ner Freunde und sein Leipziger Verleger inzwischen eine relativ seltene Krank-
verzweifelte Freundin den Wiener hatten die Genialität Franz Kafkas, des heit dar . Weltweit fordert sie jedoch
Ohrenarzt Professor Heinrich von Neu- heute meist gelesenen deutschspra- jährlich 1,6 Millionen zumeist namen-
mann (1873 – 1939) sowie Dozent Oscar chigen Autors, frühzeitig erkannt und lose Todesopfer . Sich auch ihrer zu
Beck (1882 – 1928) zu Hilfe rief . Der an den allzu früh verstorbenen Dichter erinnern und im Kampf gegen die
Letztere versuchte das Leiden des geglaubt . Tuberkulose nicht nachzulassen, mahnt
Dichters durch eine temporäre künstli- uns das Schicksal des großen Dichters
che Ausschaltung des Nervus laryn- Leider stellte er nur eines aus der lan- [5, 12] . ■
geus recurrens zu bessern . Da dessen gen Reihe prominenter von den Zeitge-
operative Durchtrennung den Schwer- nossen häufig verkannter Opfer dieser Literatur unter www .slaek .de ➝ Über Uns ➝
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kranken zu stark belastet hätte, nahm Volksseuche dar . Ob wohl die Zahl der
er eine Injektion mit 85-prozentigem Erkrankten in unserem Land mit 4 .076 Dr . med . Dietmar Seifert, Delitzsch
Alkohol in Nervennähe vor [3, 11] . Der
Nerv ist nicht leicht zu finden und die
Prozedur ist sehr schmerzhaft, wes- Anzeige
halb dem Alkohol häufig eine geringe
Menge des Lokalanästhetikums Novo-
cain (Procain) beigemengt wurde . Traf
man den Nerv, so konnte damit eine
mehrmonatige therapeutische Läh-
mung der Stimmlippe erzeugt werden,
die zur Heilung beitrug [10, 11] . Bei
Franz Kafka wurde jedoch nur ein vor-
übergehender Erfolg erzielt .
Der Dichter, der häufig unter schweren
Todesängsten gelitten hatte, die er als
die schreckliche Angst zu sterben, ohne
gelebt zu haben, zutreffend deutete,
entwickelte jetzt einen verzweifelten
Lebenswillen . Denn er, der noch 1922 in
sein Tagebuch geschrieben hatte, dass
er nicht lieben könne und „ausgewie-
sen“ sei, hatte in Dora Diamant eine
Frau gefunden, die er liebte und heira-
ten wollte . Aber das Leiden schritt un -
erbittlich fort . Die Schmerzen wurden
unerträglich, sodass ihm sein Freund
Robert Klopstock, der ihm ins Sanato-
rium gefolgt war, auf seine verzweifelte
Bitte hin Pantopon spritzte, ein Präpa-
rat, welches aus allen im Opium enthal-
tenen natürlichen Alkaloiden besteht .
Als er die Spritze reinigte, bat der Dich-
ter ihn: „Gehen Sie nicht fort“ . Nachdem
der Freund dem Dichter versprach, ihn
nicht allein zu lassen, erwiderte er:
„Aber ich gehe fort .“
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