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Patientenunterlagen - Aufbewahrung und Einsichtsrecht in die Patientendokumentation

1. Aufbewahrung von Patientenunterlagen

1.1. Ärztliche Aufzeichnungen

Ärztliche Aufzeichnungen sind gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sächsischen Heilberufekammergesetzes (SächsHKaG) in Verbindung mit § 10 Abs. 3 der Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht.

Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien bedürfen besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern. Der Arzt hat hierbei die Empfehlungen der Ärztekammer zu beachten (§ 10 Abs. 5 der Berufsordnung). Wir verweisen hierzu auf die "Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis" der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 2021, Jg. 118, Heft 45, 12. November 2021, A-2134/B-1758; DOI: 0.3238/arztebl.2021.ds02.

Seit Inkrafttreten des sogenannten Patientenrechtegesetzes am 26.02.2013 findet sich eine gesetzliche Verankerung des Behandlungsvertrages und der sich hieraus für das Arzt-Patienten-Verhältnis ergebenden Rechte und Pflichten im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hierzu zählt auch die zivilrechtliche Verpflichtung des behandelnden Arztes zu einer beweissicheren Patientendokumentation (§ 630f Abs.1 BGB). Diese Anforderungen gelten für jegliche Art der Dokumentation, d. h. für die Papierakte genauso wie für die elektronische Patientenakte. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen; Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen (§ 630f Abs. 2 BGB). Auch nach § 630f Abs. 3 BGB ist die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.

Bei Verstößen gegen diese vertraglichen Pflichten bei der Patientendokumentation droht der Verlust des Beweiswertes der Aufzeichnungen mit den damit verbundenen beweisrechtlichen Nachteilen bei einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung, z. B. im Behandlungsfehlerfall. Dazu regelt § 630h Abs. 3 BGB u. a. auch, dass der Arzt, sofern er die Behandlungsdokumentation vor Ende der Aufbewahrungsfristen vernichtet bzw. nicht in erforderlichem Umfang dokumentiert hat, im Schadensfall beweisrechtlich so gestellt wird, als ob die Maßnahme nicht durchgeführt worden ist. Der Arzt muss dann das Gegenteil (z. B. die Erhebung eines bestimmten Befundes) beweisen.

1.2. Aufzeichnungen über Röntgenbehandlungen und Röntgenuntersuchungen

Hinsichtlich Aufzeichnungen sowie Röntgenbilder, digitale Bilddaten und sonstige Untersuchungsdaten (z. B. Messwerte bei Knochendichtemessung oder parametrische Bilder und Funktionsdarstellungen) bezogen auf die Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen hat der Strahlenschutzverantwortliche gemäß § 85 Abs. 2 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) dafür zu sorgen, dass diese im Falle von Behandlungen für eine Dauer von 30 Jahren und im Falle von Untersuchungen einer volljährigen Person für eine Dauer von zehn Jahren bzw. bei einer minderjährigen Person bis zur Vollendung ihres 28. Lebensjahres aufbewahrt werden. Die zuständige Behörde kann verlangen, dass im Falle der Praxisaufgabe oder sonstigen Einstellung des Betriebes die Aufzeichnungen sowie die Röntgenbilder, die digitalen Bilddaten und die sonstigen Untersuchungsdaten unverzüglich bei einer von ihr bestimmten Stelle zu hinterlegen sind; dabei ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Wahrung des Patientengeheimnisses durch die bestimmte Stelle gewährleistet ist. Über die Vorgaben des § 85 StrlSchG weitergehende Regelungen zur Aufbewahrung, Weitergabe und Übermittlung enthält § 127 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV).

1.3. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Abrechnungsunterlagen, Früherkennungsuntersuchungen

Einzelne vertragsärztliche Dokumente fallen nicht unter die zehnjährige Aufbewahrungsfrist. Die Durchschriften von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollen nur (mindestens) zwölf Monate, gerechnet vom Tag der Ausstellung an, archiviert werden (Siehe Erläuterungen zu Anlage 2 des Bundesmantelvertrags-Ärzte Vordruck-Vereinbarung, Vordruck e01 [BMV/Ä]).

Eine Sicherungskopie der Abrechnungsdatei zum Zweck der vertragsärztlichen Abrechnung ist für vier Jahre aufzubewahren. Dies gilt auch für abrechnungsbegründende Unterlagen in Papierform (z. B. Überweisungsschein, Nachweise für Ersatzverfahren). Sofern die Überweisungsscheine eingescannt und bei Anforderung ausgedruckt werden können, soll eine Aufbewahrung in Papierform nicht notwendig sein (Siehe zum Ganzen unter Nr. 3.4 der Richtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen zur Erstellung der leitungsgebundenen elektronischen Quartalsabrechnung).

Dagegen unterliegen Notfall-/Vertreterscheine (Teil B und C) der regulären zehnjährigen Aufbewahrungsfrist, sofern dieser Schein die alleinige Dokumentation ist (Siehe hierzu ebenso Nr. 3.4. der vorgenannten Richtlinie der KVS).

Da die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie des GBA für die Berichtsvordrucke (bisher Aufbewahrung fünf Jahre) keine anderslautende Regelung mehr enthält, ist diesbezüglich ebenso von der allgemeinen zehnjährigen Aufbewahrungsfrist auszugehen.

1.4. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

Führt ein Arzt arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen im Sinne der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) durch, so können sich abweichende Aufbewahrungsfristen für Krankenunterlagen ergeben.

Gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 1 ArbMedVV hat der Arzt oder die Ärztin das Ergebnis sowie die Befunde der arbeitsmedizinischen Vorsorge schriftlich festzuhalten. Die ArbMedVV wird durch Arbeits-medizinische Regeln (AMR) ausgestaltet und konkretisiert. Bei Einhaltung der AMR kann der Arbeitgeber oder beauftragte Arzt davon ausgehen, dass die gestellten Anforderungen der ArbMedVV erfüllt sind (Vermutungswirkung, § 3 Abs. 1 Satz 3 ArbMedVV). Die Arbeitsmedizinische Regel (AMR) Nr. 6.1 enthält Angaben zur Aufbewahrungsfrist. Gemäß Nr. 3 der AMR Nr. 6.1 sind ärztliche Unterlagen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge nach ArbMedVV mindestens 40 Jahre nach der letzten Vorsorge aufzubewahren, soweit sie Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen oder Zubereitungen der Kategorie K1 oder K2 im Sinne der Gefahrstoffverordnung betreffen. Ebenfalls 40 Jahre aufbewahrt werden sollten entsprechende ärztliche Unterlagen bei Tätigkeiten, die zu Berufskrankheiten gemäß Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) führen und eine längere Latenzzeit haben können. Dies gilt sowohl für Pflicht-, als auch für Angebots- und Wunschvorsorge nach ArbMedVV. Im Übrigen gilt die Regelaufbewahrungszeit von 10 Jahren nach der letzten arbeitsmedizinischen Vorsorge.

1.5. Durchgangsarzt- und Verletzungsartenverfahren

Mit der Reform der D-Arzt-Bedingungen zum 01.01.2024 wurden die Aufbewahrungsfristen geändert. Die bisherige Verpflichtung des Durchgangsarztes im Durchgangsarztverfahren, ärztliche Unterlagen einschließlich Krankenblätter und Röntgenaufnahmen mindestens 15 Jahre aufzubewahren (Nr. 5.6 der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren, Fassung vom 01.01.2011), ist wegefallen. Damit gilt nunmehr eine Aufbewahrungsfrist für Unterlagen von zehn Jahren (statt bisher 15 Jahre) entsprechend der Regelungen der Berufsordnung.

Im Verletzungsartenverfahren sind Krankenhausträger und Durchgangsarzt weiterhin verpflichtet, ärztliche Unterlagen und Röntgenaufnahmen über Unfallverletzte mindestens 15 Jahre aufzubewahren (Siehe 3.6.8 der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII an Krankenhäuser zur Beteiligung am Verletzungsartenverfahren, Fassung vom 01.01.2013).

1.6. Zusammenfassung der Aufbewahrungsfristen und weitere spezialgesetzliche Regelungen

Die bereits erläuterten Aufbewahrungsfristen sowie weitere spezialgesetzliche Regelungen zur Aufbewahrung von Patientenunterlagen entnehmen Sie bitte der nachfolgenden Tabelle.

Aufbewahrungsfristen sowie weitere spezialgesetzliche Regelungen zur Aufbewahrung von Patientenunterlagen
Rechtsgrundlage Aufbewahrungsfrist(en)
§ 10 Abs. 3 BO/ § 630f Abs. 3 BGB 10 Jahre
§ 85 Abs. 2 StrlSchG 30 Jahre (Behandlung) / 10 Jahre (Untersuchung) bzw. bis Vollendung 28. Lebensjahr bei Mdj.
Erläuterungen zur Anlage 2 des BMV-Ä (AU-Bescheinigungen, Vordruck e01) 1 Jahr
§ 6 Abs. 3 Nr. 1 ArbMedVV i. V. m. AMR Nr. 6.1 (Arbeitsmedizinische Vorsorge) 40 Jahre
Verletzungsartenverfahren 15 Jahre
§ 11 Abs. 1 TFG bzw. § 14 Abs. 3 TFG (Spender- und Anwendungsdokumentation) 15 Jahre / 20 Jahre / 30 Jahre
§ 8 Abs. 5 und 13 Abs. 3 BtMVV (Verschreibung und Nachweis Verbleib und Bestand von Betäubungsmitteln) 3 Jahre

Sollte es während der Behandlung zu schwerwiegenden Komplikationen oder anderen möglicherweise haftungsrelevanten Umständen gekommen sein, für die der Arzt haftbar gemacht werden könnte, empfehlen wir zur Abwendung etwaiger beweisrechtlicher Nachteile die Dokumentationsunterlagen über die vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist hinaus aufzubewahren. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die sogenannte regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (=Patient) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (relative Verjährungsfrist). Nach § 199 Abs. 2 BGB verjähren dagegen Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit beruhen, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (absolute Verjährungsfrist). Zum Verhältnis der Fristen zueinander besagt § 199 Abs. 3 BGB, das die früher endende Frist maßgeblich ist. Insbesondere vor dem Hintergrund des § 199 Abs. 2 BGB kann eine längere Aufbewahrung sinnvoll sein.

1.7. Aufbewahrung nach Aufgabe der Praxis

Nach Aufgabe seiner Praxis hat der Arzt gemäß § 10 Abs. 4 der Berufsordnung seine ärztlichen Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde selbst aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Der Arzt kann der Aufbewahrungspflicht grundsätzlich durch folgende Maßnahmen nachkommen:

  • Aufbewahrung in den eigenen Räumen,
  • Aufbewahrung in angemieteten Räumen (nur dann unproblematisch, wenn dem Arzt im Mietvertrag ein alleiniges Zugriffsrecht eingeräumt wird und dies durch organisatorische Maßnahmen abgesichert ist),
  • Übergabe der Aufzeichnungen an einen Praxisnachfolger bzw. einen anderen Praxisinhaber, wobei der Arzt, dem bei einer Praxisaufgabe oder Praxisübergabe ärztliche Aufzeichnungen über Patienten in Obhut gegeben werden, diese Aufzeichnungen unter Verschluss halten muss (getrennt von etwaigen „eigenen“ Patientenakten, sog. Zwei-Schrank-Modell) und sie nur mit Einwilligung des Patienten einsehen oder weitergeben darf,
  • ausnahmsweise Übergabe der Unterlagen an ein privates Archivunternehmen, wenn dessen Mitarbeiter vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und die Auskunftserteilung aus den Arztaufzeichnungen einem Arzt vorbehalten ist; dies ist jedoch dann unzulässig, solange dem Arzt selbst die Aufbewahrung zumutbar ist oder eine Übergabe an einen Praxisnachfolger möglich ist.

Im Einzelfall ist auch die Herausgabe der Originalunterlagen an den jeweiligen Patienten möglich. Doch ist hierbei darauf zu achten, dass dies nur gegen Erteilung eines Empfangsbekenntnisses, welches sorgfältig dokumentiert wird, erfolgen sollte. Bei dieser Variante besteht das Risiko, dass der Arzt nichts mehr „in der Hand hat“ für den Fall, dass ein Patient im Nachgang noch Ansprüche aus der Behandlung geltend macht. 

1.8. Patientenakten aufgelöster Polikliniken

Patientenakten aufgelöster Polikliniken, ehemaliger staatlicher Arztpraxen und betrieblicher Sanitätsstellen befinden sich nach Auskunft des Sächsischen Datenschutzbeauftragten bei den Kreisarchiven. Hinsichtlich der Benutzung der Patientenakten zum Zwecke der von Betroffenen selbst gewünschten Auskunftsersuchen sind die Bediensteten des Archivs gehalten, die entsprechenden Unterlagen herauszusuchen und dem Gesundheitsamt des Landkreises zu übersenden. Das Gesundheitsamt kann dann die gewünschten Informationen erteilen. Ausführungen hierzu finden Sie im 12. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten (2005), S. 130 bis 133.

1.9. Vernichtung von Patientenunterlagen

Die Vernichtung von Patientenunterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist muss datenschutzgerecht erfolgen. Gemäß Art. 17 Abs. 1a Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und § 20 Abs. 1 Nr. 2 Sächsisches Datenschutzgesetz (SächsDSG) sind personenbezogene Daten zu vernichten, wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung des Arztes nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn ihr durch Rechtsvorschriften bestimmte Aufbewahrungsfristen entgegenstehen (§ 20 Abs. 4 Nr. 3 SächsDSG). Die Vernichtung kann deshalb erst nach Ablauf der jeweiligen Aufbewahrungsfristen erfolgen. Eine datenschutzgerechte Entsorgung liegt vor, wenn alle Unterlagen mit Patientenbezug erfasst sind und gewährleistet wird, dass bei Vernichtung durch den Arzt selbst oder durch Einschaltung von Entsorgungsunternehmen das Patientengeheimnis nicht verletzt wird. Die Kontrolle und Verantwortung obliegt dem Arzt.

2. Einsichtsrecht in die Patientendokumentation

2.1. Was gehört zur Patientendokumentation?

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Sächsisches Heilberufekammergesetz (SächsHKaG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 der Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer (Berufsordnung) hat der Arzt über die in Ausübung seines Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu fertigen; diese sind nicht nur Gedächtnisstützen für den Arzt, sie dienen auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) am 26.02.2013 wurde zudem der Behandlungsvertrag mit den sich hieraus für das Arzt-Patienten-Verhältnis ergebenden Rechten und Pflichten im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 630a ff. BGB) verankert. Nach § 630f Abs. 1 BGB ist der Behandelnde verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. § 630f Abs. 2 BGB führt die inhaltlichen Anforderungen an die Dokumentation genauer aus. Danach ist der Behandelnde verpflichtet,
in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen; Arztbriefe sind ebenfalls in die Patientenakte aufzunehmen.

2.2. Einsichtsrecht, Herausgabe von Kopien

Der Arzt ist gemäß § 10 Abs. 2 der Berufsordnung verpflichtet, dem Patienten auf dessen Verlangen grundsätzlich in die ihn betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Ausnahmsweise darf der Arzt einzelne Aufzeichnungen von der Einsichtnahme ausnehmen, wenn sein Interesse am Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Interesse des Patienten an der Einsichtnahme überwiegt. Darüber hinaus sind dem Patienten auf Verlangen Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben. Auf die Herausgabe der Krankenunterlagen im Original hat der Patient keinen Anspruch, da sie im Eigentum des Arztes stehen.

§ 630g Abs. 1 und 2 BGB sehen ebenfalls vor, dass dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren ist, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Eine Differenzierung hinsichtlich des Einsichtnahmebegehrens in subjektive und objektive Befunde bzw. sog. Drittbefunde ist nicht (mehr) möglich. Der Gesetzgeber hat jene Nichtoffenbarungsmöglichkeit bewusst nicht als Option übernehmen wollen, gibt aber nach der amtlichen Begründung auch hier Möglichkeiten eines Abweichens im Einzelfall frei. Gesichtspunkte der Ablehnung einer Einsichtnahme durch den Arzt sind "...erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter...“ Hierunter können Sachverhalte im psychiatrischen/psychotherapeutischen Bereich zum Schutz des Patienten fallen. Allerdings verbietet sich auch hier eine Generalisierung. Vielmehr ist der individuelle Einzelfall sorgfältig vom Arzt zu bewerten.

Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 BGB ist entsprechend anzuwenden. Danach hat die Einsicht grundsätzlich am Aufbewahrungsort (also beim Arzt) zu erfolgen; sofern ein wichtiger Grund (bspw. bei nicht unerheblicher Erkrankung des Patienten oder Umzug des Behandlers) vorliegt, kann der Berechtigte eine Vorlegung auch an einem anderen Ort verlangen. Üblich ist insoweit die Versendung einer Kopie der Patientenakte an den Patienten bzw. einen von ihm bevollmächtigten Dritten (z. B. ein Anwalt oder anderer Arzt). Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. Da es sich beim Heraussuchen und Kopieren der Patientenunterlagen nicht um ärztliche Tätigkeit handelt, wird eine Kostenerstattung regelmäßig an die Vergütungssätze des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) angelehnt. Dementsprechend sind für die ersten 50 Kopien 0,50 EUR/Seite und für jede weitere Seite 0,15 EUR (zuzüglich etwaiger Versandkosten) abrechenbar, für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien 1,50 EUR je Datei, jedoch für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf demselben Datenträger übertragenen Dokumente maximal 5 EUR. Der Arzt kann die Fertigung bzw. Zusendung der Kopien von der Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung oder sogar von einem Kostenvorschuss abhängig machen.

Beachte: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nunmehr auf Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden (Urteil v. 26.10.2023, Az. C-307/22), dass ein Patient das Recht habe, unentgeltlich eine erste Kopie seiner Patientenakte nach den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu erhalten. Bereits vorhandene aber abweichende Regeln im BGB und in der Berufsordnung müssen daher im Lichte dieser Rechtsprechung ausgelegt werden. Das Recht auf eine kostenlose erste Kopie der Patientenakte gilt daher auch, solange in § 630 g Abs. 2 Satz 2 BGB und § 10 Abs. 2 der Berufsordnung noch eine Kostentragung vorgesehen ist. Die anderen oben genannten Einschränkungen, vor allem die zum Therapievorbehalt, gelten nach unserer Auffassung aber weiterhin.

Dem Recht des Patienten auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen kann nach oben Ausgeführtem in Form der Herausgabe, Einsichtsgewährung und Auskunft an den Patienten selbst oder einen von ihm bevollmächtigten Dritten, etwa einen anderen Arzt, einen Rechtsanwalt oder Angehörigen, entsprochen werden. Im Falle der Beanspruchung durch Dritte sollte der Arzt sich jedoch stets eine schriftliche Bevollmächtigung und eine schriftliche Erklärung des Patienten über die Entbindung von der dem Arzt obliegenden ärztlichen Schweigepflicht vorlegen lassen. Verweigert der Arzt dem Patienten widerrechtlich die Einsichtnahme in die Patientendokumentation bzw. die Herausgabe von Kopien der Patientenunterlagen, so drohen ihm nicht nur berufsrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen.

2.3. Ärztliche Schweigepflicht

Ärzte sind gemäß § 9 der Berufsordnung verpflichtet, über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist - auch über den Tod des Patienten hinaus - zu schweigen. Der Arzt ist zur Offenbarung befugt, soweit er von der Schweigepflicht entbunden worden ist oder soweit die Offenbarung zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist (Güterabwägungsprinzip). Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird nach § 203 Abs.1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Auch hier gilt: Wenn das Interesse, das dem Straftatbestand der ärztlichen Schweigepflicht zu Grunde liegt, nämlich das Vertrauen des Patienten in die Verschwiegenheit seines Arztes, wesentlich gering wertiger gegenüber einem anderen Rechtsinteresse ist, darf der Arzt ein Patientengeheimnis offenbaren. Seine Handlung ist dann über den sogenannten rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis ergibt sich aus § 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Danach dürfen Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen das Jugendamt bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindes- oder Jugendwohlgefährdung informieren. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten (z. B. § 6 IfSG) bleiben unberührt.

Hausärzte und den Patienten mit- bzw. weiterbehandelnde Leistungserbringer, z. B. Fachärzte, sind gemäß § 73 Abs. 1b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf Anforderung behandelnder Ärzte mit Zustimmung des Versicherten (möglichst schriftlich wegen des Nachweises!) verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde zum Zwecke der Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Die Einwilligung kann vom Patienten widerrufen werden, gilt dann allerdings erst ab Widerruf.

Bei Anfragen von privaten Krankenversicherungen, Lebensversicherungen und Haftpflichtversicherungen ist zur eigenen Absicherung vom Patienten eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht einzuholen. Dies gilt ebenso für die Einschaltung privatärztlicher Verrechnungsstellen durch den Arzt.

2.4. Postmortale ärztliche Schweigepflicht

Die ärztliche Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch über den Tod des Patienten hinaus (siehe § 9 Abs. 1 BO, § 203 Abs. 5 StGB). Nach dem Tod des Patienten können Angehörige den Arzt von der Schweigepflicht nicht wirksam entbinden, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt. Dennoch stehen seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes gemäß § 630g Abs. 3 BGB im Fall des Todes des Patienten, die Einsichtnahmerechte aus § 630g Abs. 1 und 2 BGB seinen Erben (Nachweis durch Erbschein!) zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen (z. B. Schadensersatzanspruch aus Arzthaftung, Versicherungs- oder Rentenansprüche) zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten (insbes. Ehegatten, Lebenspartner, Kinder), soweit sie immaterielle Interessen (z. B. Abklärung von Erbkrankheiten, Nebenklägerschaft im Strafprozess) geltend machen.
 
Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht. Hat sich der verstorbene Patient also vor seinem Tod explizit zu einer Nichtoffenbarung gegenüber Erben oder Angehörigen geäußert oder ist aufgrund der Umstände im konkreten Fall anzunehmen, dass er eine Einsichtnahme durch seine Erben oder nächsten Angehörigen ablehnen würde, muss der Arzt die Einsichtnahme verweigern; liegen aus Sicht des Arztes keine Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen vor, wird die mutmaßliche Einwilligung im Sinne seiner Erben bzw. nächsten Angehörigen angenommen.

Eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage für die Durchbrechung des Grundsatzes bzw. des Geltungsbereichs der postmortalen ärztlichen Schweigepflicht, welche die Informationsweitergabe durch den behandelnden Arzt des verstorbenen Patienten erlaubt, stellt z. B. § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 Sächsisches Bestattungsgesetz (SächsBestG) dar. Danach sind Ärzte, die die äußere oder die innere Leichenschau durchgeführt haben, verpflichtet, die zur Überprüfung und Vervollständigung der Todesbescheinigung oder des Obduktionsscheins erforderlichen Auskünfte an das zuständige Gesundheitsamt zu erteilen. Außerdem sind Ärzte und sonstige Personen, die den Verstorbenen zuletzt behandelt oder gepflegt haben, auf Aufforderung der jeweils zuständigen Behörde zu näherer Auskunft verpflichtet.


Dresden, August 2024

Ansprechpartner

In Zweifelsfällen sollte die Rechtsabteilung der Sächsischen Landesärztekammer kontaktiert werden.

Dr. jur. Alexander Gruner
Leiter der Rechtsabteilung

Ass. jur. Claudia Hauswald M.mel.
Rechtsreferentin


Leiter Rechtsabteilung

Dr. jur. Alexander Gruner

Adresse
Schützenhöhe 16,
01099 Dresden
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Ass. jur. Claudia Hauswald M.mel.

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