Ein Jahr Cannabis für medizinische Zwecke

2017 beschloss der Bundestag das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften". Damit wurde der Weg für eine evidenzfreie Verbreitung von Cannabis in der Medizin frei gemacht.


„In der heutigen Zeit eine Substanz ohne Evidenz durch den Gesetzgeber zu legitimieren und verordnungsfähig zu machen, ist ein völlig falsches Signal.", betont Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer. Im Gesetz seien nicht nur Reinsubstanzen zur Verordnung vorgesehen, sondern auch getrocknete Cannabisblüten. „Das giftige Cannabiskraut, mit dem sich junge Abhängige ruinieren, wird nun mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten bereitgestellt."


Der Gesetzestext beschreibt keine Limitierung über Zieldiagnosen und Indikationsangaben. Die Orientierung zum Beispiel an einer vergleichenden indikationsbezogenen Präparateliste, die Beachtung des Einflusses auf die Fahrtauglichkeit oder mögliche Comorbiditäten, fehlten vollständig. Bodendieck: „Eine Cannabisverordnung vor dem 23. Lebensjahr gefährdet die nicht abgeschlossene menschliche Hirnreifung und ist geeignet, überdauernde strukturelle Schäden und persistierende kognitive Defizite zu begründen, die soziale Katastrophen nach sich ziehen." Ein Lebensalterbezug ist im Gesetz aber nicht vorhanden. Jede juristische Verantwortung für Folgen wird den verordnenden Ärzten aufgebürdet.


Drogenaffine Personenkreise, aber auch andere, argumentierten jetzt, dass Cannabis doch Medizin sei und deshalb Schäden und Folgen nicht entfalten könne. Das Risikobewusstsein hat erheblich abgenommen. Doch auch eine ärztliche Verordnung von Cannabis verhindert schizophrene Psychosen nicht. Diese treten mit einem 2-6,7 fachen Risiko genauso ein wie die Fahruntauglichkeit bei jedem Konsum. Das Unfallrisiko im Straßenverkehr durch Cannabiskonsumenten wegen spezifischer Reaktions- und Wahrnehmungsveränderung steigt an. Darüber hinaus fehlen fundierte Studien zur Wirksamkeit von Cannabispräparaten im Vergleich mit first-line-Medikamenten der gängigsten Indikationen.


Bodendieck: „Ich bin mir sicher, mehr Suchtmittel in der Gesellschaft bringen niemals weniger Suchtkranke. Beredtes Gegenbeispiel dafür sind bei uns die abnehmenden Zahlen junger Nikotinabhängiger und -konsumenten in den letzten Jahren durch Prävention und Aufklärung über Suchtgefahren. Den Kampf gegen Drogen kann nur bestehen, wer feste Grenzen auf Dauer und Konsequent aufrechterhält. Freigabe bedeutet immer Preisgabe, da Sucht progredient verläuft. Die Auseinandersetzung wird dann mit schlechteren Möglichkeiten an der nächsten Haltelinie auf Kosten der Allgemeinheit fortgeführt."