Page 28 - Ärzteblatt Sachsen, Juni-Ausgabe 2024
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        Ärzten kritiklos übernommen wurden .  wurden mit Hinweisen auf unter ande- ckelte  sich  die  Situation  in  den  USA
        Auch  wurde  nicht  nach  der  Diagnose  rem eine unzureichende Basistherapie  deutlich dramatischer . Hier kam es in
        der Grunderkrankung differenziert, viel- der Studienpopulation und zahlreichen  den letzten 20 Jahren zu einem kaum
         mehr hieß es: „Die Indikation für eine  berich teten Fällen von Medikamenten- mehr zu kontrollierenden Problem mit
        Opioidtherapie wird durch die Stärke  missbrauch  während der Studienteil- Opioiden, die oftmals über den Weg des
        der Schmerzen bestimmt, nicht durch  nahme trotz vorselektierter Patienten  nichtmedizinischen Gebrauchs  primär
        die Diagnose” [11] . Eine fatale Fehlein- und kontrollierter Rahmenbedingungen  ärztlich verordneter  Medikamente  in
        schätzung, wie man heute weiß . Die  ab  gelehnt .  Das  einreichende  Phar ma- den illegalen Markt diffundierten . Die
        Folge waren unter anderem Patienten  un ternehmen zog daraufhin 2013 sei- sogenannte „Opioidkrise” führt in den
        mit exorbitant ho hen Opioiddosierun- nen Antrag auf Zulassungserweiterung  USA zu steigenden Todeszahlen durch

        gen, deren Schmerz in der Regel den- für „breakthrough pain“ bei nicht-tu - illegale Drogen (zum Beispiel Heroin)
        noch nicht ausreichend kontrolliert war .  mor  bedingten Schmerzen zurück [18] .  aber auch durch rezeptpflichtige Opio-
                                                                                ide (zum Beispiel Oxycodon, Fentanyl) .
        Auch „gesundheitspolitische“ Strate- Mit der Zeit wuchsen die Zweifel an  So gehören in den USA Todesfälle durch
        gien und Projekte, wie das „Schmerz- dem Konzept des unkritischen und  unbeabsichtigte   Fentanylüberdosie-
        freie Krankenhaus” oder das „Aktions- damit auch zunehmenden Einsatzes  rungen mittlerweile zu den häufigsten
        bündnis Schmerzfreie Stadt Münster”,  der Opioidanalgetika und es wurden in  Todesursachen bei unter 50-Jährigen .
        beide gefördert durch dasselbe Phar- Deutschland im Jahr 2002 erstmalig  Hinter dieser fatalen Entwicklung
        maunternehmen, hatten zur Folge,  Leitlinien  für  die  Langzeitanwendung  stand in den USA exemplarisch ein
        dass die Forderung nach einem „Recht  von Opioiden bei chronischen nicht- Pharmaunternehmen, welches Werbe-
        auf Schmerzfreiheit” – im Gegensatz zu  tumorbedingten Schmerzen (CONTS;  kampagnen entwickelte, die sich gezielt
        einem Recht auf adäquate medizini- Konsensbildung  zu  Opioidlangzeitan- an Ärzte richteten und prominente
        sche Schmerzbehandlung – auch in der  wendung  bei Nicht-Tumorbedingten  Ärzte fungierten hier als „key opinion
        Bevölkerung immer mehr in den Fokus  Schmerzen) veröffentlicht [19] .  Diese  leaders“ . Hinweise auf missbräuchliche
        geriet  und  die  von denselben  Unter- Leitlinien wurden in der Folge immer  Verschreibung und deren Folgen wur-
        nehmen angebotenen Behandlungsop- wieder überarbeitet und aktualisiert  den gezielt zurückgehalten und auch
        tionen mit Opioidanalgetika in diesem  (LONTS-Leitlinien) [20, 21] . Sie beinhal- die Verordnung von Oxycodon in soge-
        Zusammenhang als wirkmächtige Lö - ten klare und evidenzbasierte Empfeh- nannten „pill mills“ wurde durch Hono-
        sung erachtet wurden [13, 14] .     lungen zum Einsatz von Opioiden   rierung der  Vertreter  für steigende
        Zwischenzeitlich gipfelte der Versuch,  bei Patienten, die unter chronischen  Umsätze belohnt . Bei den „pill mills“
        eine Gewinnmaximierung durch eine  nicht-tumorbedingten Schmerzen lei- handelte es sich um Einrichtungen, bei
        Markterweiterung für Opioide zu erzie- den . Im Rahmen dieser Leitlinie wurden  denen bekannt war, dass sie ohne aus-
        len, in der Initiative eines Unterneh- Schmerzerkrankungen  genannt,  bei  reichende Indikation, Überwachung et
        mens, welches schnell freisetzendes  denen – in der Regel nicht als Erstlini- cetera  große  Mengen  von  Opioiden
        Fentanyl, das bisher ausschließlich zur  entherapie – durchaus eine zeitlich  verschrieben . Somit wird ein nicht
        Behandlung des Durchbruchsschmer- begrenzte Behandlung mit Opioiden  unerheblicher Teil dieser Opioidkrise in
        zes bei starken Tumorschmerzen zuge- erwogen werden kann . Hierzu gehö - den USA auf das Marktverhalten eines
        lassen war, durch fragwürdige Studien  ren  unter anderem neuropathische  Unternehmens zurückgeführt, das
        für den Bereich des chronischen nicht- Schmerzen, Schmerzen bei Osteopo- aber – so muss man es sicherlich auch
        tumorbedingten Schmerzes zu öffnen  rose, Schmerzen aufgrund von Wirbel- sehen – nicht ohne das Zutun der Ärz-
        [15-17] . Der Einsatz buccaler, transmu- körperfrakturen, Arthroseschmerzen .  teschaft und aufgrund fehlender insti-
        cosaler oder nasaler Applikationsfor- Auf der anderen Seite wurden auch  tutioneller, medizinischer und gesund-
        men von Fentanyl führt allerdings auf- Erkrankungen benannt, bei denen eine  heitspolitischer Regularien im Umgang
        grund  der extrem  schnellen Anflu- Opioidtherapie kontraindiziert bezie- mit  Opioiden  und  ihrem Einsatz  zur
        tungskinetik dieser Formulierungen zu  hungsweise nicht zu empfehlen ist .  Schmerzbehandlung unterstützt wurde
        einem unkalkulierbaren hohen Risiko  Hierzu zählen unter anderem primäre  [9] . Heutzutage gibt es in den USA
        der Abhängigkeitsentwicklung mit der  Kopfschmerzen,  Fibromyalgie  und    vielerorts sogenannte „opioid stew-
        daraus resultierenden Morbiditätser- chronischer Schmerz als Leitsymptom  ardship“-Programme,  die diese Lücke
        höhung . Entsprechende Anträge bei der  einer psychischen Erkrankung [20, 21] .   zu schließen versuchen, um das Pro-
        European Medicines Agency (EMA)  Verglichen  mit Deutschland entwi- blem zu bekämpfen [22] .


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