Page 30 - Ärzteblatt Sachsen, Juni-Ausgabe 2024
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anbauen, über finanzielle Unterstüt- Anwendungsgebiet geworben wird und scher Lumbago [45] . Darüber hinaus
zungen von medizinischen Fachgesell- durch gezielte Öffentlichkeits- und kommen Metaanalysen zu bisher vor-
schaften bis hin zum Betreiben „eige- Lobbyarbeit sowie Werbung in der Ärz- gelegten klinischen Studien zur Wirk-
ner” Praxen, in denen ausschließlich teschaft ein lukratives Geschäft aufge- samkeit und Sicherheit von cannabis-
mit Cannabisarzneimitteln behandelt baut werden soll . Natürlich gibt es auch basierten Wirkstoffen nicht durchge-
wird, sollten zu besonders kritischer von der Seite der Patienten, spätestens hend oder grundsätzlich zu einer nega-
Aufmerksamkeit anregen . In den „Can- nach der Änderung der Gesetzgebung tiven Beurteilung [33–38] . Vielmehr
nabispraxen“ werden unter anderem und vielen Berichten in den unter- lassen sich positive Effekte cannabis-
Patienten mit „chronischen Schmer- schiedlichsten Medien, ein erhöhtes basierter Arzneimittel in Bezug auf
zen”, „Migräne”, „Endometriose” – meist Interesse und eine gesteigerte Nach- Schmerz zeigen, wobei die Studien
auf privatärztlicher Basis – behandelt . frage nach einer Behandlung mit Can- überwiegend von mittlerer bis geringer
Dort wird unter anderem mit Slogans nabinoiden, auf die reagiert werden Qualität sind und teils die positiven
wie „Natürliche Therapie bei Krebspati- muss . Hierzu sind aber weniger Mythen Effekte im Kontext der beobachteten
enten“ oder „Natürliche Therapie gegen hilfreich, vielmehr braucht es überprüf- Nebenwirkungen aufgehoben werden
chronische Schmerzen“ geworben [39] . bare Fakten, die auf den Grundsätzen können .
der evidenzbasierten Medizin erhoben
In diesem Kontext fällt eine Publikation worden sind [29] . Die Arbeitsgemein- Fazit
aus Bogota, Kolumbien, besonders ins schaft Cannabis als Medizin e . V . hat Immer wieder werden neue oder ver-
Auge . Innerhalb von nur fünf Monaten sich unter anderem als Ziel gesetzt, die meintlich neue Medikamente auf dem
wurden hier mehr als 2 .000 Patienten Forschung zu unterstützen und soziale Markt angeboten, oftmals begleitet
mit zwei verschiedenen Vollspektrum und politische Gremien sowie Funkti- von neuen Erkenntnissen aber auch
Cannabinoidpräparaten behandelt, wo - onsträger in Politik, Justiz und Medizin Wunschvorstellungen (wie im Fall von
von 92,5 Prozent (!) der Patienten pro- zu beraten [43] . Heroin als weniger suchterzeugend im
fitierten („some improvement in their Vergleich zu Morphin), die in der Folge
primary symptom“) [40] . Abgesehen Dabei darf durchaus als kritisch gese- einer unreflektierten und unkontrollier-
von relevanten Problemen im Studien- hen werden, dass zu den Sponsoren ten Übernahme nicht nur zu medizini-
design und in der Beschreibung der dieses Vereins mehrere große Pharma- schen Fehlbehandlungen, sondern auch
Daten, fällt vor allem auf, dass die Ein- firmen zählen, die Cannabisprodukte zu gesellschaftlichen Problemen führen
richtung, die die Studie durchgeführt anbieten . Dennoch sollte nicht außer können . Opioide sind trotz der darge-
hat, ausschließlich mit Cannabinoiden Betracht gelassen werden, dass auch stellten negativen Erfahrungen vor
behandelt und sie darüber hinaus von seitens der Patienten beziehungsweise allem in der Schmerztherapie und Pal-
einem international agierenden Phar- ihrer Organisationen, wie zum Beispiel liativmedizin bei fach- und indikations-
maunternehmen betrieben wird [41] . dem Bund Deutscher Cannabis-Patien- gerechtem Einsatz alternativlos . Der
Auch eine später veröffentlichte Studie ten e . V ., ein berechtigtes Interesse Stellenwert von Cannabinoiden in der
aus dieser Arbeitsgruppe zur Behand- besteht, Behandlungen mit Cannabino- Schmerztherapie lässt sich zum gegen-
lung mit inhalativen Cannabinoiden iden zu ermöglichen beziehungsweise wertigen Zeitpunkt noch nicht ab -
kommt zu ähnlich positiven Ergebnis- diese zu vereinfachen [44] . Zu fordern schließend beurteilen . Beiden ist aller-
sen; doch auch hier zeigt das Studien- ist darüber hinaus seitens der Fachge- dings gemein, dass sie nicht als Pana-
design erhebliche Probleme, sodass die sellschaften, dass vergleichbar mit den ceae anzusehen sind . ■
Schlussfolgerungen nur mit großer Leitlinien zur Opioidverordnung auch
Vorsicht gelesen und interpretiert wer- solche für den Einsatz von Cannabino-
den sollten [42] . Vergleichbar mit der iden erarbeitet und konsentiert werden . Interessenkonflikte: keine
beschriebenen Entwicklung der Opioid- Zur Erstellung einer solchen Leitlinie Literatur unter www .slaek .de ➝ Über Uns ➝
verordnungen sehen wir auch hier wie- könnte hilfreich sein, dass aktuell Presse ➝ Ärzteblatt
der einen nicht zu unterschätzenden große randomisierte und Placebo kon- Korrespondierender Autor:
marktwirtschaftlich getriebenen Ein- trollierte klinische Studien durchge- Prof . Dr . med . Rainer Sabatowski
satz einer Medikamentengruppe, bei führt werden, die die Wirkung und UniversitätsSchmerzCentrum
der eine evidenzbasierte Anwendung Sicherheit von cannabisbasierten Arz- Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“
Technische Universität Dresden
noch in vielen Bereichen im Dunkeln neimitteln bei chronischen Schmerzen Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
liegt, dafür aber mit einem breiten untersuchen, zum Beispiel bei chroni- E-Mail: rainer .sabatowski@ukdd .de
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