Page 29 - Ärzteblatt Sachsen, Juni-Ausgabe 2024
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finden . Durch diese Regelung war es für
Anbieter von Cannabinoiden nicht mehr
zwingend notwendig, den aufwendigen
und kostenintensiven Zulassungspro-
zess zu durchlaufen und – bei mögli-
cherweise negativen Ergebnissen –
keine Zulassung erteilt zu bekommen .
Initial wurde das Gesetz „Cannabis als
Medizin“ durch eine nicht-interventio-
nelle Begleiterhebung der Bundesopi-
umstelle beim Bundesinstitut für Arz-
neimittel und Medizinprodukte (BfArM)
flankiert . Die Erhebung umfasste Can-
© depositphotos/yellow2j nabisarzneimittel, die gesetzlich Versi-
cherten nach Genehmigung der Kran-
kenkassen verschrieben wurden und
Erkrankung beziehungsweise Sympto-
Gibt es problematische Mechanismen beim Einsatz von Cannabis in der Schmerztherapie? die zur Behandlung der bestehenden
matik nicht als Fertigarzneimittel zu -
Kapitel 2 [28] . Betäubungsmittelrechtliche Vor- gelassen waren [30, 31] . Die Datenqua-
„Legalize it!” (unbekannt) gaben wurden dahingehend geändert, lität war insgesamt eher unbefriedi-
dass medizinische Cannabisblüten fort- gend, so konnten zum Beispiel sinn-
Cannabis hat kultur- und medizinge- an als verkehrs- und verschreibungsfä- volle Indikationen nicht konkretisiert
schichtlich eine ebenso lange Tradition hige Betäubungsmittel geführt und in werden . Auf der anderen Seite werden
wie Opium [23] . Doch erst mit dem das SGB V als erstattungsfähige Arz- von entsprechenden Interessensgrup-
Nachweis von Cannabinoid-Rezeptoren – neimittel aufgenommen wurden . Damit pen eine Vielzahl von Indikationen (auf
der CB1-Rezeptor wurde erstmals 1988 können sie, wie auch THC-Medikamen te, der Homepage des Deutschen Hanf-
beschrieben, endogene Cannabinoide ärztlich verordnet werden . Weiterhin verbands werden über 60 aufgeführt)
und deren potenzielle pharmakologi- muss das Vorliegen einer „schwerwie- genannt, die aber in den wenigsten Fäl-
sche Eigenschaften in den 1990er Jah- genden Er krankung” nachgewiesen wer- len eine Evidenzprüfung überstehen
ren – gerieten Cannabinoide vermehrt den . Die Verordnung steht unter Ge - würden [32] .
in das Interesse der Schmerztherapie neh migungsvorbehalt der Kostenträger
[23, 24] . Wie schon beim Einsatz von und setzt voraus, dass „eine allgemein Und auch beim Thema Cannabinoide
Opioiden zur Behandlung des Nicht- anerkannte, dem medizinischen Stan- sehen wir wieder, wie bereits bei den
Tumorschmerzes wurde dieses Inter- dard entsprechende Leistung nicht zur Opioiden, ein verstärktes marktwirt-
esse unter anderem durch Einzelfallbe- Verfügung steht oder im Einzelfall […] schaftliches Interesse seitens der
richte (auch in den Medien) gefördert nicht zur Anwendung kommen kann”, pharmazeutischen Industrie . Trotz
[25–27] . THC-haltige Fertig- und Re zep- sowie eine „nicht ganz entfernt lie- überwiegend eher negativer Empfeh-
tur arz neimittel konnten seit länge rem gende Aussicht auf eine spürbare posi- lungen für den Einsatz von Cannabino-
für bestimmte Indikationen ver schrie - tive Einwirkung auf den Krankheitsver- iden zur Schmerzbehandlung, die wie-
ben werden . Zudem war es möglich, bei lauf […] besteht” [28, 29] . derholt in systematischen Reviews
einer nachzuweisenden schwerwiegen- publiziert wurden, ist die Nachfrage
den therapieresistenten Erkrankung Diese Formulierung stellt natürlich groß und es wird immer wieder be -
eine Umgangserlaubnis für den straf- alles andere als eine evidenzbasierte hauptet, dass Cannabinoide besonders
freien Bezug und die Eigenanwendung und leitliniengerechte Therapieemp- in der Tumorschmerztherapie – aber
von Cannabisblüten zu erhalten . Aus fehlung dar . Vereinfacht ausgedrückt, auch bei der Behandlung neuropathi-
gesundheits- und ordnungspolitischen steht die Ärzteschaft nunmehr vor dem scher Schmerzen – effektiv seien [u . a .
Gründen erfolgten im Jahr 2017 Geset- Problem, für ein nicht nach den übli- 33 – 38] . Entwicklungen zu Netzwerken,
zesänderungen und das Gesetz „Can- chen Regularien zugelassenes Medika- die zu einer Verbindung von Pharmafir-
nabis als Medizin“ wurde veröffentlicht ment eine „passende Erkrankung” zu men zu Betrieben, die Medizinalhanf
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